Interventionistische Linke Hamburg zur Tarifrunde ÖD 2020
Im März wurde noch für die Angestellten in den sogenannten „systemrelevanten Berufen“ geklatscht, für die Pfleger* innen in den Krankenhäusern und Altenheimen, Supermarkt-Kassierer* innen, aber auch Bus- und S-Bahn-Fahrer* innen und Müllabfuhr-Beschäftigte. Ein halbes Jahr später scheint es mit der Anerkennung für diese Beschäftigtengruppen nicht weit her zu sein. Minimale Prämien wurden nur an ausgewählte Gruppen verteilt – an der schlechten Bezahlung und der zum Teil belastenden Beschäftigungssituation hat sich nichts geändert. Auf Geschenke des Staates kann sich nicht verlassen werden.
Es ist also Zeit, sich die Anerkennung, welche die Gesellschaft noch vor einem halben Jahr mit ihrem Klatschen zum Ausdruck bringen wollte, selbst zu erkämpfen! Aktuell wird der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes neu verhandelt, der für viele kommunale Beschäftigte in genau diesen Bereichen die Arbeitsbedingungen regelt. Der Verband kommunaler Arbeitgeber (VKA) bestreitet öffentlich die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen und fordert eine „Null-Runde“. Dieser Konflikt geht aber nicht nur die Beschäftigten an! Als Gesellschaft müssen wir deutlich machen, dass wir solidarisch sind: Echte Anerkennung dieser Berufe muss mehr sein als Klatschen, muss sich auch materiell niederschlagen, in mehr Einkommen, aber auch einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen – etwa mehr Personal in den Krankenhäusern und damit einer Verringerung der Arbeitsbelastung.
Wer zahlt für die Krise?
Die Kommunen argumentieren nun, aufgrund der Corona-Krise seien die Kassen leer, Geld für Lohnerhöhungen gebe es nicht. Es stimmt: Der Staat hat viel Geld in der Krise ausgegeben. Aber sind wirklich alle arm geworden in der Krise? Im Gegenteil: Während ein Großteil der Lohnabhängigen in Kurzarbeit mit deutlich weniger Lohn auskommen musste, haben einige Konzerne deutliche Gewinnsteigerungen zu verzeichnen gehabt. Während für nicht wenige Menschen das Einkommen wegbrach und sie ihre Miete stunden lassen mussten, können sich Vermieter* innen weiter auf ihr Einkommen verlassen. Und während die Beschäftigten in den Krankenhäusern 12-Stunden-Schichten verordnet bekamen, um unsere Gesundheit zu schützen, verdient der Milliardär und größte Asklepios-Anteilseigner Bernard große Broermann weiter mit unserer Gesundheit, weil das Land Hamburg vor einigen Jahren die Landeskrankenhäuser an ihn verscherbelte. Und wenn es für ein Unternehmen doch nicht reicht, kann auf die staatliche Rettung gehofft werden, wie beim Lufthansa-Konzern, der nun mit öffentlichen Mitteln und staatlicher Beteiligung unterstützt wird, um trotzdem Arbeitsplätze abzubauen und weiter die Umwelt zu verpesten.
Die Krise hat keineswegs alle arm gemacht, sondern einen kleinen Teil, der vorher schon reich war, noch reicher. Wir saßen nie im selben Boot, wir haben nur nicht gesehen, wie die Yacht an uns vorbeizog. Denn was die Krise gezeigt hat, ist die zunehmende Verschärfung eines Klassenkonflikts zwischen der Masse der Lohnabhängigen und einer Kapital-Elite, welche fast zwei Drittel des gesamten Reichtums in Deutschland besitzt. Wenn die Kommunen also sagen, sie haben kein Geld um die Krankenpfleger* innen und Busfahrer* innen vernünftig zu bezahlen, sagen wir: Dann holt euch das Geld von denen, die an der Krise verdient haben, anstatt von denen, die den Laden am Laufen gehalten haben!
Was hat ein Arbeitskampf mit Gesundheit und Klima zu tun?
Bereits im Frühjahr, als die Krankenhäuser im Fokus des öffentlichen Interesses standen, wurden Stimmen laut, die sich gefragt haben, ob ein profitorientiertes Gesundheitssystem in der Situation einer Pandemie wirklich eine kluge Entscheidung ist. Denn was ist es, das zählt: bestmögliche Versorgung und entsprechende Maßnahmen, auch wenn sich etwa das Vorhalten von Betten finanziell nicht lohnt, oder größtmögliche Rentabilität?Die Tarifrunde wirft deshalb auch weitere Fragen auf, nämlich Fragen nach unserem Gesundheitswesen, unserem Verkehrssystem – kurz: nach sozialen Infrastrukturen und öffentlichen Gütern für die gesamte Bevölkerung. So wie die kommenden Arbeitskämpfe die Verteilung von Reichtum in Frage stellen, sollte auch die Frage nach dem Charakter und der Ausgestaltung öffentlicher Einrichtungen gestellt werden. Öffentlicher Personennahverkehr ebenso wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sollten Teil einer sozialen Infrastruktur sein, die allen Menschen unentgeltlich zur Verfügung steht! Unsere Ziele sind deshalb:
- Ausbau und ein kostenloser HVV für alle! Das ist notwendiger Bestandteil einer echten Verkehrswende und ein Schritt Richtung Klimagerechtigkeit hier vor Ort. Gleichzeitig ermöglicht dies mehr Mobilität und Teilhabe für alle Menschen in der Stadt. HVV Umsonst heißt für uns auch, an der Seite der HVV-Beschäftigten zu stehen, die die Verkehrswende tagtäglich möglich machen!
- Vergesellschaftung der Hamburger Krankenhäuser! Diese müssen den Gewinninteressen von Superreichen wie dem Asklepios-Boss entzogen und in öffentliche Hand überführt werden – unter Beteiligung von Beschäftigten und Stadtgesellschaft. Einhergingen muss dies mit einer Abschaffung des Fallpauschalensystems (DRGs): Dieses System hat die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, die Möglichkeit mit bestimmten Behandlungen viel Gewinn zu machen und den Abbau von Personal maßgeblich vorangetrieben.
Wenn im Herbst die Krankenhausbeschäftigten, die Beschäftigten des ÖPNV, der Müllabfuhr und andere Branchen streiken werden, stehen wir hinter ihnen. Kämpfen wir gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen, gegen eine Abwälzung der Krisenlasten auf Kosten der Lohnabhängigen und für eine soziale Infrastruktur, die Gesundheit und Klima dient und allen unentgeltlich zur Verfügung steht!
Interventionistische Linke Hamburg, September 2020
- Freitag 18.9. Aktionstag von Fridays for Future und ver.di zur Unterstützung der ÖPNV-Beschäftigten
- Samstag, 19.9., 18 Uhr: Demonstration „Wer hat der gibt“, Moorweide (S Dammtor), mehr Infos: https://werhatdergibt.org/hamburg/
- September/Oktober: erste Streiks in Krankenhäusern und öffentlichen Dienst, informiert euch!