In Wald, Stadt, Tagebau und der Hamburger S-Bahn

Der Kampf um Klimagerechtigkeit in Hamburg und Deutschland

Aus der "iL-giornale Nr. 2": Wenn über Klimapolitik gesprochen wird, ist die Kohlekommission der Bundesregierung der neue Renner. Sie tritt an, um einen guten Kompromiss zwischen Wirtschafts- und Umweltschutzinteressen zu finden.

Ein Ziel, das die wenigsten, selbst innerhalb der Kommission, für erreichbar halten. Wir fragen uns: Wie auch?
Schauen wir zehn Jahre zurück auf die Kämpfe um einen sofortigen Atomausstieg, so kennen wir vor allem Geplänkel. Auch in der Debatte um Kohle wird nichts Spannendes passieren, außer wir werden laut, aktiv und mutig. Der Druck von unten ist es, der auch bei der Debatte um Kohleverstromung der Motor für Veränderungen sein wird – Veränderungen, die immer dringender auf der Tagesordnung stehen.
Die Kohlekommission diskutiert über Strukturwandel. Gleichzeitig werden durch die Kohlekraftwerke weiter Unmengen Treibhausgase in die Luft gepustet. Ein Ausstieg aus der CO2-intensivsten Form, Strom zu gewinnen, ist nötig wie nie. Dagegen argumentieren die Energieriesen mit sicheren Arbeitsplätzen und stellen damit ihre Kapitalinteressen vor ihre  Verantwortung in der Klimafrage. Tatsächlich umgehen die Energiekonzerne soziale und ökologische Kosten und wollen mit dem „weiter so“ Profite machen.
Wir als Teil der Klimabewegung rufen den Kampf um jedes Gramm Kohle, Öl oder Gas aus, das im Boden bleibt. Denn nur so kann der Klimawandel mit seinen verheerenden Folgen für unzählige Menschen weltweit begrenzt werden.

In den Hambacher Forst…

...mobilisiert das Ende Gelände-Bündnis dieses Jahr mit besonderer Dringlichkeit. Bereits jetzt ruft etwa die Aktion Unterholz dazu auf, in den Hambacher Forst zu kommen, um sich auf „kollektiven zivilen Ungehorsam“ vorzubereiten. Dort treten Jahr für Jahr immer mehr Menschen in und um einen apokalyptisch anmutenden Tagebau dem Wahnsinn der Kohleverstromung entgegen. Das Interesse, der Zuspruch und die Aufmerksamkeit sind dabei immer weiter gestiegen. Der neuralgische Punkt im Konflikt um die Kohlekraft ist in diesem Jahr der Hambacher Forst. Möglich gemacht haben das die Pläne von RWE einerseits und ein ebenso breites wie entschlossenes Widerstandsspektrum andererseits. Treibhausgase ausstoßen und Landstriche zerstören – das nehmen wir nicht hin.
Der Hambacher Forst ist ein umkämpfter Wald, der in den vergangenen Jahrzehnten Stück für Stück einem Tagebau weichen musste. Früher war er einer der größten Urwälder in Deutschland. Von dem ursprünglich 5.500 Hektar großen Wald ist heute nicht einmal mehr ein Zehntel vorhanden. In den kommenden drei Jahren soll nach den Plänen von RWE auch der letzte Rest vernichtet werden. Doch ein Aktivenspektrum von Bürger_inneninitiativen bis zu Waldbesetzer_innen verzögert die Rodungen jedes Jahr deutlich. Was uns alle dabei eint, ist der Kampf um den Erhalt des Waldes und gegen das Vorantreiben des Klimawandels. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure hat 2017 dazu geführt, dass ein Aussetzen der Rodungen erreicht werden konnte. Würde die Rodung endgültig gestoppt, könnte der Tagebau Hambach – einer der größten Kohletagebaue Europas – nicht mehr lange weiter betrieben werden. Dieses Jahr geht es also ums Ganze. Seit Anfang September räumt die Polizei die Baumhäuser der Waldbesetzer_innen. Sie trifft dabei auf entschlossenen und kreativen Widerstand, die Räumung wird sich über Wochen hinziehen. Immer wieder ziehen Tausende zum Wald, um die Besetzer_innen zu unterstützen, und auch im Rest des Landes finden fast täglich Solidaritätsaktionen statt. Die Stärke der Bewegung ist beeindruckend und zum Redaktionsschluss ist der Ausgang der Proteste noch ungewiss.
Das Ende Gelände-Bündnis mobilisiert auch in Hamburg dafür, die Proteste im Oktober massenhaft zu unterstützen. Im Sommer haben wir dafür eine Gruppe gegründet und mit der Mobilisierung zu den Protestaktionen im Hambacher Forst begonnen. Wer schon jetzt Zeit hat, kann sich der Aktion Unterholz anschließen.

…aus Hamburg…

Aber nicht nur im Rheinland, auch bei uns in Hamburg wird um die Zukunft des Weltklimas gestritten – sowohl im Konflikt um die Kohleverstromung als auch im Kampf um saubere Luft und einen bezahlbaren HVV. Dabei haben die Hamburger Grünen ihre angebliche Vorreiterrolle nie erfüllen können und sich nicht zuletzt durch die Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg im Jahr 2008 mehr als Klimakiller denn als Klimaschützer erwiesen. Der Protest gegen das Kraftwerk konnte den Bau auch durch Besetzungsversuche letztlich nicht stoppen. Dennoch hat der anhaltende Widerstand die für das Kraftwerk und seine Wirtschaftlichkeit eigentlich entscheidende Fernwärmetrasse nach Altona erfolgreich verhindert. Aktuell gibt es einen erneuten Versuch von Vattenfall, mit dem Bau einer Trasse durch Othmarschen und Bahrenfeld doch noch Fernwärme aus Moorburg abzuleiten.
Mit der Trasse soll aus dem Kraftwerk Moorburg entstehende Wärme verteilt werden. Erst mit der zusätzlichen Fernwärme wäre das Kraftwerk wirklich profitabel. Denn Vattenfall betreibt trotz der eigenen Selbstdarstellung als angeblich grüner Stromlieferant seit 2015 unbeirrt ein für die Stromversorgung überflüssiges Kohlekraftwerk, mit dem sie vermutlich nicht einmal Geld verdienen.
In den 2000er Jahren sollten viele neue Kohlekraftwerke in Deutschland gebaut werden. Der starke Widerstand unter anderem in Moorburg hat dafür gesorgt, dass viele dieser Pläne wieder in den Schubladen verschwanden. Doch auch heute noch meint der Chemiekonzern DOW, 30 Kilometer elbabwärts einen solchen Plan verwirklichen zu müssen: Auf seinem Werksgelände in Stade möchte DOW Chemical ein neues Kohlekraftwerk bauen. Zusätzlich zur Versorgung der energieintensiven Prozesse im Werk selbst soll auch Strom ins öffentliche Netz eingespeist werden. Seit Jahren gibt es Bürger_inneninitiativen vor Ort, die Widerstand gegen dieses Vorhaben organisieren. Aktuell hat sich ein neues Bündnis zusammengefunden, das verschiedene Aktionen gegen die Kraftwerkspläne bündelt.

…mit „Ende Gelände“!

In der Klimapolitik braucht es Druck, endlich reale Veränderungen zu erreichen. Wir müssen streiten für tatsächliche Klimagerechtigkeit. Dieser Herbst und das kommende Jahr werden für die Entscheidungen um Kohle von enormer Bedeutung sein. Wir werden da sein, hoffentlich mit euch allen – laut, aktiv und mutig. Im Bündnis Ende Gelände oder in den zahlreichen anderen Gruppen, die für Klimagerechtigkeit kämpfen.

Klima-AG